Vorschau

133

der damalige Besitzer der an diesem Platz gestandenen Taschner-Bude mit Genehmigung des Grundherrn das Wohnhaus erbaute. Dasselbe wird urkundlich zum erstenmal 1511 erwähnt und ist eines von den wenigen noch erhaltenen alten Bürgerhäusern, deren obere Stockwerke durch Überbauten über die Straße hinaustraten, um in den Wohnräumen mehr Platz zu gewinnen. Am Hause wurde nach dem letzten Umbau folgende Inschrift angebracht: "Um 1473 war hier eines Taschners Stand. Drum auch das Haus zur Tasche ward genannt." In den Zinsbüchern der Grundherren, des Pfortenamtes und des Präsenzamtes des Domstifts wird das Haus "Zur Tasche" genannt. Mit Hilfe dieser Grundzinsbücher lassen sich die Besitzer des Anwesens bis an den Beginn des 16. Jahrhunderts zurück verfolgen. Aus ihnen erfahren wir

u. a., daß im Jahre 1511 ein Hanns von Hall, vermutlich ein Bürger aus der Reichsstadt Schwäbisch-Hall, das Haus um 400 fl. angekauft hat; er wird ausdrücklich als "beutler" bezeichnet. Der Kaufpreis ist für die damalige Zeit und den räumlichen Umfang des Hauses recht hoch, offenbar mit Rücksicht darauf, daß dort sich die günstigste Geschäftslage des damaligen Würzburg befand.

Hs.-Nr. 70 und 72. Die Häuser sowie einige daranstoßende Häuschen stehen auf dem Platz des alten kaiserlichen Landgerichtes, in Urkunden Colhart, Calhart, Calehardus, im Volk Kalhard genannt. Späterhin wurde der Bau auch als die steinerne Kemenate bezeichnet. Der Name Kalhard, den dieses Gerichtshaus geführt hat, bedeutet soviel wie "Schwätzer". An dem Gebäude ist auch die Figur eines Schwätzers angebracht gewesen. Die Bischöfe von Würzburg besaßen die volle Gerichtsbarkeit sowohl in bürgerlichen Sachen als im sogenannten Blutbann auch in der zweiten Instanz, infolgedessen keine höhere Instanz außerhalb der Diözese und des Herzogtums angerufen werden konnte. Die höhere Instanz im Herzogtum Franken bildete der Bischof von Würzburg. Die unteren Gerichte waren im Besitze der Gaugrafen und des Adels, aber auch diese gingen in den Besitz der Würzburger Bischöfe und erst von diesen durch Lehen und Verkauf, auch im Erbgang, an einzelne Adelige über, wie uns Urkunden und besonders die bischöflichen Lehenbücher beweisen. Der Unterlichter in der Stadt Würzburg war der Graf von Henneberg, der als Burggraf vom Schloß Marienberg der Centrichter am Gerichte jenseits der Brücke war. als Stadtpräfekt dem bürgerlichen Gerichte diesseits der Brücke vorstand und als Kirchenvogt die Gerichtsbarkeit handhabte. Während der Blutbann am Brückengericht jenseits der Brücke haftete, ebenso die zweite Instanz des Bischofs im sogenannten "Landrecht", konzentrierte sich die bürgerliche Gerichtsbarkeit zuerst am Grafenbann, im 12. Jahrhundert im bischöflichen Palatium zwischen Dom und Neumünster zunächst für die Stadt Würzburg, wogegen für die gerichtliche Tätigkeit der Oberinstanz für das ganze Herzogtum ein eigenes Gebäude errichtet wurde, auf der anderen Seite der Domgreden, sodaß also rechts und links von der Domkirche die Gerichtsgebäude für die Stadt Würzburg und für das Land lagen. Das Landgerichtsgebäude wird im Protokollbuch des Landgerichts vom Jahre 1335-1345 das "palatium Provinciale" genannt. Es ist nämlich bemerkt, daß Bischof Otto Wolfskeel bei seiner zweiten Wahl zum Bischof den Domherrn Heinrich von

Virtuelle Bibliothek Würzburg

Virtuelle Bibliothek  > 30/NZ 97959 M533(2) - Würzburgs Straßen und Bauten - ein Beitrag zur Heimatkun...  > Seite 133