Vorschau

67

Domherren daselbst jährlich um Martini feierten. Der Geschichtsschreiber Heffner meint, dasselbe sei ohne Zweifel ein Überbleibsel von den Gebräuchen der heidnischen Deutschen. Diese glaubten, der Sonnenwagen werde von einem Eber mit goldenen Borsten gezogen und deswegen mußte bei den Sonnenfesten ein Eber zum Schlachtopfer dienen, der zu diesem Ende ein ganzes Jahr vorher sorgfältig ernährt wurde. Das Tier wurde der Sonne geopfert, zum Danke für die wohltätige, fruchtbare Erwärmung der Erde im verflossenen Jahre und zur Erstehung gleicher Wohltat für das kommende Jahr. Nachdem die Heiden die christliche Religion angenommen hatten, feierten sie dies Dank-und Erntefest zwar nach christlicher Weise in den Kirchen, behielten aber die heidnischen Gebräuche dennoch bei, bis diese sich nach und nach veränderten und am Ende ganz erloschen. Der Grund der Fortdauer dieses Festes lag Wohl im üppigen Schmause, den die Domherren an diesem Feste hielten und nicht gerne aufgaben, auch dann nicht, als sie im Jahre 1552 bei den Kriegsunruhen mit dem Markgrafen von Onolzbach das Beussenfest, an dem, wie sie sich äußerten, "ohnehin nicht viel gelegen sei, was das Beißen der Beussen angehe", für immer aufgehoben wissen wollten. Sie behielten sich vielmehr ihre gewöhnliche Gebühr, den fetten Imbiß, als eine Gerechtigkeit vor und erklärten "man möge übrigens die Beussen in der Thumpropstei einander beißen lassen und dabei sein, wer da wolle". Aus dieser Äußerung ist klar, daß nebst dem Beussenfeste im Bruderhofe noch ein anderes in der Dompropstei veranstaltet zu werden pflegte. Dechantpfarrer Dr. Amrhein in Eßfeld bemerkt zu dieser Darstellung Heffners: Dieses Beussenfest hing mit der Weinlese zusammen. Nach den Protokollen des Domkapitelschen Kellergerichts aus dem Ende des 15. Jahrhunderts begann nämlich am Tag nach Bartholomäi (25. August) die Weinlese, daher das Sprichwort "wo Barthel den Most holt", um zu bezeichnen, in welcher Weinbergslage die Weinlese beginnt. Mit dem Beginn der Weinlese hatte der Dompropst vom Ertrag der Domkapitelschen Weinberge und vom Weinzehnt die im Domkapitelschen Keller am Kreuzgang lagernden Fässer des Domkapitels füllen zu lassen: 72 Fuderfässer, und am Vorabend von Martini mußten sie eingefüllt sein. Und dieser Tag war für das Domkapitel zugleich der Abschluß der Weinlese, der auch durch das Beussenfest gefeiert wurde. Hiezu mußte der Dompropst 14 Beussen oder Wildschweine, die in den Waldungen durch die Eichel und Buchel gemästet waren, zum Abendschmaus stellen. Die Zubereitung oblag den Domkapitelschen Hausgenossen oder Beamten, von denen jeder seine bestimmten Verrichtungen hatte, auch seinen bestimmten Anteil an den geschlachteten Beussen erhielt. Daß es bei diesem Erntefest hoch herging, läßt sich wohl denken, ein Zeitgenosse des 16. Jahrhunderts nannte das "Beussenfest Martini einen teuflischen Gottesdienst", ob aus Ärger, weil er keine Einladung erhalten hatte, ist nicht bemerkt. Es war ein Ernteschmaus, wie er in früherer Zeit am Schlüsse der Ernte üblich gewesen ist. Ein heidnischer Gebrauch kann es nicht genannt werden, höchstens ein allgemein menschlicher Gebrauch.

Hs.-Nr. 1. Hof zum kleinen Löwen.

Hs.-Nr. 3. Hof zum kleinen Ilgenstein.

5*

Virtuelle Bibliothek Würzburg

Virtuelle Bibliothek  > 30/NZ 97959 M533(2) - Würzburgs Straßen und Bauten - ein Beitrag zur Heimatkun...  > Seite 67