Handschrift zitieren
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M.p.th.q.5
Festtagslektionar
Kalbspergament
58 Blatt
210 x 154 mm
Reichenau oder Würzburg
Mitte 11. Jahrhundert
Lagen:
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1 Bl.(I) + 1 Bl.(1) + 7 IV(57) + 1 Bl.(58) Blatt 1 misst 183 x 136 mm, es ist durch Anstückelung den Maßen der übrigen Blätter angepasst. Ursprünglich war es auf 77r von M.p.th.q.4 aufgeklebt. Die Doppelblätter 2 und 9 sind besonders dick, die hier verwendete Tinte ist heller. Nichts deutet aber darauf hin, dass es sich um einen Einschub handle.
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Schriftraum:
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160 x 100 mm
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Schrift 1:
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Karolingische Minuskel (Hand A). Kompletter Text mit Ausnahme Blatt 9 (s.u.) von einem Würzburger Schreiber, der 1057 und 1069 in Würzburger Urkunden belegt ist (vgl. Hoffmann, Buchkunst und Königtum, S. 347-348; HStA Würzburg WU 6 und 8). |
Schrift 2:
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9r - 9v: Karolingische Minuskel (Hand B). Reichenauer Hand, die auch das Evangelistar des Berliner Kupferstichkabinetts 78 A 2 und als Hand A im Evangeliar von Baltimore W7 geschrieben hat, wohl identisch mit dem Buchmaler; nach H. Hoffmann evtl. auch beeinflusst vom sanktgallischen Schreiber B in der Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 30040 (vgl. Hoffmann, Buchkunst und Königtum, S. 313 und 347). |
Glossen, Ergänzungen:
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9r: Ein Nachtrag des 15. Jahrhunderts in gotischer Kursive am Rand.
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Beschreibung:
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Holzdeckel (Eiche) 225 x 160 x 126 mm. Ehemaliger Prachteinband. Im Vorderdeckel Vertiefung (185 x 125 x 8 mm) und darin vier Löcher, wohl für eine Metallplatte oder ein Elfenbein, heute roh entfernt. Linker vorderer Rand, Rücken und Hinterdeckel mit violettem Samt bezogen. Entlang der linken Außenkante 5 mm breite vergoldete Silberleiste mit Kreuzornament (wohl noch dem hohen Mittelalter entstammend). Spuren von 2 Schließen und 5 Buckeln auf dem Hinterdeckel. |
Ausstattung:
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Rote Majuskelüberschriften. Farbige und Pulvergold-Initialen, Wellenrankenmotivik. Zu den verwendeten Farben vgl. vgl. Roosen-Runge, Beiträge, und Trost, Gold- und Silbertinten, S. 309-312. Zu den Rankenformen vgl. Klemm, Augsburger Sakramentar. Auffällig ist, dass die ausgestalteteren goldenen Spaltleisteninitialen auf grünem und blauem Grund meist in deutlich zu großen Freiflächen des Schriftspiegels sitzen. Einfachere goldene Miniaturen ikonographisch mit z.T. engen Bezügen zum Berliner Evangelistar (vgl. Geschichte).
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Miniaturen: | 2v: Paulus als Schreiber zwischen zwei Säulen. Auf dem Gebälk darüber sind drei junge Männer dargestellt, zwei tragen Schriftrollen, der mittlere ein rotes Buch. Böckler, Ars sacra, fasste diese Figuren als Evangelisten auf, Roosen-Runge S. 396-397 als die Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan. Komposition nach Labusiak 2011 wohl Adaption eines byzantinischen Modells (Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. grec. 224, 6v).
7r: Weihnachten: Vollbild in zwei Zonen. Unten: Hirtenverkündigung. Zwei Hirten, links und rechts von einem Baum angebracht, halten Linke bzw. Rechte empor und schauen nach oben, Hirtenstäbe hinter den Figuren stehend. Darüber: Geburt Christi.
Literatur: Zum Motiv in der Reichenauer Buchmalerei vgl. Th. Labusiak, Die Ruodprechtgruppe der ottonischen Reichenauer Buchmalerei, Berlin 2009, S. 187-188.
20r: Ostern: Die drei Frauen vor dem Grab mit dem Engel und den schlafenden Soldaten.
Literatur: Zum Motiv vgl. Labusiak, Ruodprechtgruppe, S. 214-215.
32r: Pfingsten: Die sieben Gaben des hl. Geistes strömen auf elf Apostel herab (11 Apostel, vor der Nachwahl des Hl. Matthias).
Literatur: Zum Motiv vgl. Labusiak, Ruotprechtgruppe, S. 222-229. |
Initialen: | 1r: Flechtwerkinitiale Q (voniam); die Cauda wird von einem Drachen gebildet. In purpurnem Grund, umgeben von Leistenrahmen mit grau-grünem Palmettenbesatz.
3r: Spaltleisteninitiale P.
7v: Spaltleisteninitiale F.
15v: Spaltleisteninitiale E.
20v: Spaltleisteninitiale F.
21r: Spaltleisteninitiale V.
29v: Spaltleisteninitiale P.
32v: Spaltleisteninitiale I.
41v: Spaltleisteninitiale F.
44v: Spaltleisteninitiale I.
46r: Spaltleisteninitiale D.
47r: Spaltleisteninitiale L. |
Entstehung:
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Die Handschrift wird der Spätzeit der Reichenauer Malschule zugeschrieben. Sie bildet mit dem Reichenauer Evangelistar Berlin, Kupferstichkabinett, Codex 78 A 2 und Baltimore, Walters Art Gallery, Ms. W 7 eine Gruppe, vgl. Bloch, Reichenauer Evangelistar, S. 35-41 und S. 89-97. Ähnlich schon Gernsheim, Reichenau, S. 99-106 ("Filialschule", "Verfallserscheinungen"). Die Blatt- und Rankenformen der Initialen zeigen Verbindung zum Augsburger Sakramentar Clm 30040 (ehemals Donaueschingen Ms. 193), vgl. Klemm, Augsburger Sakramentar, S. 21-22. Die Lesung zum Fest des Hl. Kilian ist die einzige Epistel zu einem Heiligenfest, die 41v mit einer farbigen Initiale ausgezeichnet ist. Dies legt nahe, dass die Handschrift von Anfang an für Würzburg bestimmt war. Die Initialen, die nicht passgenau zum Schriftspiegel sind, lassen an eine (nicht gut abgestimmte) Zusammenarbeit eines Würzburger Schreibers mit einem direkt von Würzburg beauftragten Reichenauer Maler bzw. Wandermaler denken (Labusiak, Deutscher Kunsthistorikertag 2011). Der paläographische Befund verweist auf einen Würzburger Schreiber um bzw. kurz nach der Mitte des 10. Jahrhunderts (vgl. oben Kodikologie/Schrift). Eine Reihe von Lesungen des Lektionars läßt sich nicht mit Klausers Typen in Einklang bringen. |
Provenienz:
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Dombibliothek Würzburg (Die Handschrift ist im Katalog des 19. Jahrhunderts von A. Ruland und J. B. Stamminger vage dem Stift Neumünster zugeschrieben, jedoch dürfte wenigstens der Besteller der Würzburger Bischof gewesen sein, vgl. Roosen-Runge, Beiträge, S. 390-392). |
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