Die Chronik der Sachsen und Thüringer
Kurfürst Friedrich III. von Sachsen, genannt der Weise (1463–1525), aus dem Geschlecht der Wettiner (ernestinische Linie) beauftragte 1510 Georg Spalatin (1484–1545) mit einer breit angelegten Chronik des Hauses Sachsen, so wie es damals verstanden wurde. Bereits 1515/16 erfolgte die Reinschrift der drei fertig gestellten, heute in Coburg aufbewahrten Bände, 1516/17 wurden sie gebunden.
Georg Burckhardt, der sich nach seinem Geburtsort Spalt bei Nürnberg Spalatin nannte, gelangte nach seinem Studium in Erfurt und Wittenberg an den vom Humanismus beeinflussten kursächsischen Hof. Dort hatte er eine Fülle von Aufgaben erzieherisch-seelsorgerischer, wissenschaftlich-sammelnder und beratend-diplomatischer Art inne. Dank seiner Vertrauensstellung wirkte er nicht zuletzt als Vermittler des reformatorischen Gedankengutes an Friedrich den Weisen, den Landesherrn und baldigen Beschützer Martin Luthers. Am Aufbau der evangelischen Landeskirche in Sachsen war Georg Spalatin ab 1525 maßgeblich beteiligt.
Trotz Verfügbarkeit des Druckes mit beweglichen Lettern wurde die Chronik von mehreren Schreibern in einer kalligraphischen Kanzleischrift zu Papier gebracht. Für die Bebilderung trug der aus dem fränkischen Kronach stammende und sich nach seinem Geburtsort nennende kursächsische Hofmaler Lucas Cranach der Ältere (1472–1553) die Verantwortung. Aus seiner Werkstatt stammen die weit über 1000 Illustrationen. Unter Oberaufsicht des Meisters wurden die aquarellierten Federzeichnungen von mehreren in seiner Werkstatt tätigen Künstlern ausgeführt. Ziel war die Einheit von Bild und Text, was sich in der an humanistischen Vorstellungen orientierten Seitengestaltung, der regelmäßigen Abfolge von Überschrift, Bild und Text, gut erkennen lässt.
Geschichtliche Dinge wurden in Mittelalter und Früher Neuzeit erzählend und mit einer bestimmten Darstellungsabsicht vermittelt. Das heißt nicht, dass Historiker unter Anwendung entsprechender quellenkritischer Methoden nicht zahlreiche Informationen aus solchen Werken ziehen können. Spalatin bemühte sich durchaus um die historischen Fakten, betrieb auf einer erstaunlich breiten Materialbasis Quellenstudien, zitiert sogar innerhalb der Chronik von ihm ins Deutsche übersetzte lateinische Urkunden, Inschriften etc. und lässt darüber hinaus erste Ansätze von Quellenkritik erkennen. Doch die Übergänge zwischen tatsächlichen Begebenheiten und tradierten Spekulationen sind fließend, die Datierungen nur bedingt zuverlässig. Zweck war auch weniger die Darstellung von historischen Fakten um ihrer selbst willen als die dynastische Legitimation des Herrscherhauses. In erster Linie findet in der Chronik der Sachsen und Thüringer das Repräsentationsbedürfnis der ernestinischen Wettiner auf dem Höhepunkt ihrer Macht seinen Ausdruck.
Die Markgrafen von Meißen (seit 1089) und Landgrafen von Thüringen (seit 1247) hatten seit 1423 auch die sächsische Kurwürde inne. Sie sahen sich daher in der Tradition früherer sächsischer Herrschergeschlechter, etwa der Ottonen (Liudolfinger), denen ein ganzer Chronikband gewidmet ist. Im Mittelpunkt der Darstellung stehen die einzelnen Herrscherpersönlichkeiten. Der Aufbau der Chronik orientiert sich weitgehend an genealogischen Zusammenhängen. Wegen der dynastischen Verflechtungen verläuft der Erzählfluss stellenweise nicht linear, sondern springt vor und zurück. Innerhalb dieses Gesamtkonzepts, das unterschiedlich konsequent ausgefüllt ist, ist eine Fülle von Details über Leben und Taten zahlreicher historischer Persönlichkeiten zu finden.
Spalatin konnte sein auf sechs Bände konzipiertes Geschichtswerk nicht vollenden. Die Chronik bricht in der Zeit Kurfürst Friedrichs I. von Sachsen, genannt der Streitbare (1370–1428), ab. Die Zeit des Verfassers und seiner Dienstherren — neben bzw. nach Friedrich dem Weisen waren das sein Bruder Herzog/Kurfürst Johann von Sachsen, genannt der Beständige (1468–1532), sowie sein Neffe Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen, genannt der Großmütige (1503–1554) — wird nicht mehr wie geplant erreicht.
Die Chronik der Sachsen und Thüringer ist bis heute nicht ediert. Während in der Landesbibliothek Coburg die drei bereits im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts fertig gestellten Bände liegen, befindet sich ein vierter zusammen mit umfangreichen Materialbänden im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar. In Spalatins Testament von 1535 ist er verzeichnet als lose beschriebene und illustrierte Papierlagen aus sechs Blättern ("Sexternen"). Erst im Jahr 1681 wurden diese zum heutigen Weimarer Band zusammengebunden.
Genese und Textverhältnisse der Handschrift wurden unter Verwendung des umfangreichen Quellenmaterials aus dem Nachlass Georg Spalatins im thüringischen Hauptstaatsarchiv von Christina Meckelnborg und Anne-Beate Riecke ausführlich untersucht. Die PDF-Dateien "Geschichte der Handschriften", "Handschriftenbeschreibung", "Transkriptionsrichtlinien", "Inhaltsübersichten" und "Lesehilfen" sind im Zusammenhang mit diesen Forschungen entstanden. Christina Meckelnborg und Anne-Beate Riecke trugen auch maßgeblich zur Transkription bei, die in einer ersten Version im Auftrag der Landesbibliothek Coburg entstanden ist. Die Navigation baut auf der Transkription in Verbindung mit den "Inhaltsübersichten" auf.